(Kein) Bös­wil­li­ges Unter­las­sen ander­wei­ti­gen Ver­diens­tes wäh­rend einer Frei­stel­lung nach Kün­di­gung

Hin­ter­grund des Fal­les:

Der Klä­ger (Arbeit­neh­mer) stand seit Novem­ber 2019 bei der Beklag­ten in einem Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nis. Sein zuletzt bezo­ge­nes Brut­to­mo­nats­ge­halt betrug 6.440 €. 

Die Beklag­te (Arbeit­ge­ber) kün­dig­te das Arbeits­ver­hält­nis mit Schrei­ben vom 29. März 2023 ordent­lich zum 30. Juni 2023 und stell­te den Klä­ger unter Ein­brin­gung von Rest­ur­laub unwi­der­ruf­lich von der Pflicht zur Erbrin­gung der Arbeits­leis­tung frei. 

Der Arbeit­neh­mer erhob Kün­di­gungs­schutz­kla­ge, wel­che vom Arbeits­ge­richt am 29. Juni 2023 statt­ge­ge­ben wur­de. Der Arbeit­ge­ber leg­te gegen die­ses Urteil Beru­fung ein, wel­che vom Lan­des­ar­beits­ge­richt am 11. Juni 2024 zurück­ge­wie­sen wur­de.

Anfang April mel­de­te sich der Arbeit­neh­mer arbeits­su­chend bei der Agen­tur für Arbeit. Im Zuge des­sen erhielt er von die­ser Ver­mitt­lungs­vor­schlä­ge. Auch der Arbeit­ge­ber über­sand­te im Mai und Juni 2023 43 von Job­por­ta­len und Unter­neh­men aus­ge­schrie­be­nen Stel­len, die nach der Auf­fas­sung des Arbeit­ge­bers pas­send für den Arbeit­neh­mer und des­sen Qua­li­fi­ka­tio­nen sei­en. Ab Juni 2023 bewarb sich der Arbeit­neh­mer auf sie­ben der 43 vor­ge­schla­ge­nen Stel­len. 

Für den Juni 2023 stell­te der Arbeit­ge­ber die Zah­lun­gen des Gehal­tes ein. Der Arbeit­neh­mer klag­te dar­auf­hin gegen den Arbeit­ge­ber auf Fort­zah­lung der monat­li­chen Ver­gü­tung. 

Die Beklag­te bean­trag­te Kla­ge­ab­wei­sung bean­tragt und wen­de­te ein, der Klä­ger sei ver­pflich­tet gewe­sen, sich wäh­rend der Frei­stel­lung zeit­nah auf die ihm über­las­se­nen Stel­len­an­ge­bo­te zu bewer­ben. Nach­dem der Arbeit­neh­mer dies unter­las­sen habe, müs­se sich der Arbeit­neh­mer für Juni 2023 § 615 Satz 2 BGB den fik­ti­ven ander­wei­ti­gen Ver­dienst in Höhe des bei der Beklag­ten bezo­ge­nen Gehalts anrech­nen las­sen.

Wäh­rend das Arbeits­ge­richt den Anspruch und daher die Kla­ge abwies, ver­trat das Lan­des­ar­beits­ge­richt die Auf­fas­sung, dass der Kla­ge statt­zu­ge­ben sei. Die vom Arbeit­ge­ber erho­be­ne Revi­si­on vor dem Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG v. 12.2.2025 — 5 AZR 127/24) blieb erfolg­los. 

Die Grün­de:

Der Beklag­te befand sich auf­grund der von ihm ein­sei­tig erklär­ten Frei­stel­lung des Klä­gers wäh­rend der Kün­di­gungs­frist im Annah­me­ver­zug und schul­det dem Klä­ger nach § 615 Satz 1 BGB iVm. § 611a Abs. 2 BGB die ver­ein­bar­te Ver­gü­tung für die gesam­te Dau­er der Kün­di­gungs­frist. 

Nicht erziel­ten ander­wei­ti­gen Ver­dienst muss­te sich der Klä­ger nicht nach § 615 Satz 2 BGB nach Auf­fas­sung des Bun­des­ar­beits­ge­richts anrech­nen las­sen. Der durch eine fik­ti­ve Anrech­nung nicht erwor­be­nen Ver­diens­tes beim Arbeit­neh­mer ein­tre­ten­de Nach­teil ist nur gerecht­fer­tigt, wenn die­ser wider Treu und Glau­ben (§ 242 BGB) untä­tig geblie­ben ist.

Da § 615 Satz 2 BGB eine Bil­lig­keits­re­ge­lung ent­hält, kann der Umfang der Oblie­gen­heit des Arbeit­neh­mers zu ander­wei­ti­gem Erwerb nicht los­ge­löst von den Pflich­ten des Arbeit­ge­bers beur­teilt wer­den. 

Der Beklag­te habe nicht dar­ge­legt, dass ihm die Erfül­lung des aus dem Arbeits­ver­hält­nis resul­tie­ren­den, auch wäh­rend der Kün­di­gungs­frist bestehen­den Beschäf­ti­gungs­an­spruchs des Klä­gers unzu­mut­bar gewe­sen wäre. Aus­ge­hend hier­von bestand für den Klä­ger kei­ne Ver­pflich­tung, schon vor Ablauf der Kün­di­gungs­frist zur finan­zi­el­len Ent­las­tung des beklag­ten Arbeit­ge­bers ein ander­wei­ti­ges Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nis ein­zu­ge­hen und dar­aus Ver­dienst zu erzie­len.

Hand­lungs­emp­feh­lung:

Im Rah­men des Ent­schei­dungs­pro­zes­ses einer Kün­di­gung und einer etwa­igen unwi­der­ruf­li­chen Frei­stel­lung des Arbeit­neh­mers bis zum Ablauf der Kün­di­gungs­frist soll­te gut über­legt wer­den, ob eine unwi­der­ruf­li­che Frei­stel­lung sinn­voll ist. Die­se Abwä­gung hängt von einer Viel­zahl von Umstän­den des Ein­zel­falls ab. 

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